In meinen Seminaren zum Urheberrecht bin ich in den letzten Monaten immer wieder auf diese Frage gestoßen. Anlass war die im Sommer 2019 auch in der Öffentlichkeit mit viel Aufregung geführte Diskussion um die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie.

Schlagworte waren Upload-Filter und unmittelbare Haftung der Plattformbetreiber für Rechtsverletzungen durch ihre Nutzer.

Bei der Richtlinie geht es in der Hauptsache um die europaweite Einführung des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger und die Begründung einer unmittelbaren Haftung des Plattformbetreibers. Beides ist bereits in der BRD geltendes Recht.

Aber welche rechtliche Bindungswirkung hat denn überhaupt eine EU-Richtlinie?

Dazu muss man wissen, dass eine EU-Richtlinie im sogenannten TRILOG -Verfahren auf EU-Ebene zustande kommt, d.h. unter Beteiligung der drei Institutionen der EU:

  1. Der EU-Rat, also die Versammlung der Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten. Dieser tagt auch auf Ministerebene. Der EU-Rat ist die politische Führung der EU und dort herrscht bei Abstimmungen das Einstimmigkeitsprinzip. Dies ist auch der Grund, dass die EU keinerlei politische Entscheidungen in der letzten Zeit treffen kann.
  2. Das EU-Parlament, welches größer ist als jedes nationale Parlament wird direkt gewählt.
  3. Die EU-Kommission als der Verwaltungsarm der EU, der im Kern für die Gewährleistung einheitlicher Wirtschaftsbedingungen in der EU zuständig ist und hierzu auch weitreichende Kompetenzen erhalten hat.

Also, wie läuft nun typischerweise das TRILOG-Verfahren ab?

Der EU-Rat beschließt, auf einem Gebiet, z.B. Vorratsdatenspeicherung, sei es sinnvoll eine einheitliche europaweite Regelung zu installieren. Dieser beauftragt dann die EU-Kommission mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Richtlinie.

Die EU-Kommission fertigt nun unter Beteiligung und Anhörung betroffener Verbände und Lobbyisten den Entwurf einer EU-Richtlinie an und legt diesen dann dem EU-Parlament zur 1. Abstimmung vor.

Im EU-Parlament wird dieser Entwurf dann ergänzt, abgeändert und erweitert und nach Abschluss der parlamentarischen Diskussion zur 1. Abstimmung gestellt.

Diese Version wird nun dem EU-Rat zur abschließenden Prüfung vorgelegt. Dieser kann Streichungen und Änderungen vornehmen und muss dann erneut abstimmen.

Der so geänderte Entwurf gelangt dann zur 2. Abstimmung zum EU-Parlament. Dieses muss dann abstimmen, ohne Möglichkeit noch irgendetwas inhaltlich an der Richtlinie ändern zu können.

Erfolgt diese Abstimmung positiv dann ist sie endlich da die endgültige EU-Richtlinie!

Uns was heißt das jetzt?

Nach den EU-Verträgen gilt diese Richtlinie jetzt nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten als verbindliches Recht, sondern löst lediglich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus, nunmehr diese Richtlinie in nationales Recht zu überführen.

Heißt: Nun muss jeder Staat sein nationales Gesetzgebungsverfahren starten und die Richtlinienregelung in das jeweils nationale Recht einfügen, z. B. UrhG. Das dies auch umgesetzt wird ist leider überhaupt nicht gewährleistet! Die EU kann lediglich Strafzahlungen verhängen, wenn ein Staat nicht innerhalb einer Frist von 3 – 5 Jahren die Richtlinie umsetzt.

Kein Staatschef der EU riskiert aber bei sich „zu Hause“ politische Probleme, nur um eine EU-Richtlinie umzusetzen. Uns sollte es daher nicht verwundern, dass gerade auch die BRD längst nicht alle EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzt!

Also, im Ergebnis muss man somit festhalten, das eine EU-Richtlinie niemals für einen Bürger eines Mitgliedstaates unmittelbar rechtlich verbindlich wird!