Immer wieder lesen oder hören wir: „Der EuGH hat entschieden“ oder „[…] der EuGH hat heute in seiner Entscheidung die Rechte der Verbraucher in der EU gestärkt“ oder so ähnlich.

Die Fragen die sich einem dann aufdrängen sind doch in solchem Fall:

  • Welche Rechtswirkung hat das Urteil eigentlich für mich als Bürger der BRD?
  • Müssen jetzt alle Gerichte in der BRD diese Entscheidung bei Ihren Urteilen zugrunde legen?
  • Welche Funktion mit welchen Rechtswirkungen haben eigentlich Urteile des EuGHs?

Hierzu betrachten wir zunächst einmal die originären Zuständigkeiten des EuGHs?

  1. Der EuGH ist innerhalb der EU zuständig für alle Feststellungen von EU-Vertragsverletzungen durch Mitgliedstaaten.
    Das heißt, der EuGH entscheidet verbindlich, ob ein Staat EU-Verträge verletzt hat. So z.B. im Fall des von der BRD in sein UrhG eingeführtes Leistungsschutzrechts für Presseverleger.
    Bsp.: In diesem Fall verstieß die BRD gegen EU-Vertragsrecht mit der Konsequenz, dass diese Vorschriften des deutschen UrhG unwirksam sind! (Wenn ein Sachverhalt durch eine EU-Richtlinie geregelt werden soll – wie hier – dann kann ein Mitgliedstaat nicht einfach eine eigene nationale Regelung treffen!)

  2. Der EuGH ist außerdem zuständig für die Fragen, ob ein Staat durch sein Handeln die in der EU-Menschenrechtskonvention niedergelegten Menschenrechte eines EU-Bürgers verletzt hat. Auch hier führt ein Urteil des EuGHs sofort zur Unwirksamkeit des Handelns des Mitgliedsstaates oder seine angewandten Regelungen!
    Bsp.: Die BRD musste Ihre Sorgerechtsregelungen ändern, nachdem der Vater eines unehelichen Kindes, der Unterhalt zahlte und auf sein Umgangsrecht bestand. Nach damaliger Rechtslage konnte die Mutter ihm das Umgangsrecht grundsätzlich verbieten. Der Vater hatte vor allen deutschen Gerichten einschließlich des BVerfG verloren. Oder der Fall des Jurastudenten aus Wien namens Schrempp, der durch die damalige – auf das Safe Harbor-Abkommen – beruhende Praxis des Austausches von personenbezogenen Daten zwischen der EU und den USA seine EU-Menschenrechte beeinträchtigt sah. In diesem Fall führt die Entscheidung des EuGHs zur sofortigen Nichtigkeit des Safe-Harbor-Abkommens und somit zur sofortigen Rechtswidrigkeit des gesamten Datenaustausches zwischen den USA und Europa.

Was ist aber nun in den Fällen, wo nationale oberste Gerichte, wie der BGH, den EuGH anrufen?

Dieses geschieht nur in den Fällen, bei denen die Entscheidung des nationalen Gerichts auf die Interpretation einer Norm gestützt werden soll, die ihren Ursprung in einer EU-Richtlinie hat. Hier gibt es den erklärten politischen Willen, dass man eine einheitliche Rechtsprechung in Europa bei der Interpretation von EU-Richtlinien sicherstellen möchte. Wie geschieht das nun? Also, wenn der BGH einen Fall entscheiden muss, bei dem es um eine entsprechende Norm geht, macht er einen sogenannten Vorlagebeschluss an den EuGH mit Fragen zur Interpretation der Norm.

Dieser prüft unter Berücksichtigung von Gutachten die vorgelegten Fragen und beantwortet diese in Form eines Beschlusses.

Das ist nun die Entscheidung des EuGHs von der wir in den Medien dann lesen!

Dieser Beschluss geht dann an das nationale Gericht zurück und dieses hat nun zwei Möglichkeiten:

  • Es schließt sich der Auffassung des EuGHs an und entscheidet seinen Fall dann unter Zugrundelegung dieser Interpretation.

Oder

  • Es schließt sich der Interpretation nicht an und entscheidet anders.

Im Ergebnis heißt das, dass es nicht diese rechtliche Verbindlichkeit des EuGHs im Verhältnis zu den nationalen Gerichten, als quasi höchste Instanz auf EU Ebene gibt.

Die Autonomie der nationalen Gerichte wird nicht angetastet, so das auch hier gilt: Nur in den unter 1. und 2. genannten Konstellationen hat der EuGH verbindliche Wirkung und Befugnisse in Bezug auf die Mitgliedstaaten und deren Bürger. Bei allen anderen Rechtsfragen verbleibt es bei der nationalen Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Gerichte.