Wie geht es weiter beim Whistleblower-Gesetz?
CDU/CSU und SPD streiten über Umsetzung der EU-Richtlinie
Spätestens seit den spektakulären Enthüllungen von Edward Snowden über die Ausspähpraktiken der NSA weiß jeder, was ein Whistleblower ist.
Whistleblower nehmen in der Regel ein sehr hohes persönliches Risiko und Repressalien in Kauf, um auf erhebliche Missstände und Rechtsverletzungen innerhalb ihres Betätigungsfeldes hinzuweisen und diese öffentlich zu machen.
Dies hat in der Regel eine fristlose Kündigung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses zur Folge. Diese ist auch durch das Fehlen des für jedes Angestelltenverhältnis erforderlichen gegenseitigen Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – was durch die Hinweisgebung an Dritte oder die Öffentlichkeit ja gerade deutlich wird, immer durch die Arbeitsgerichte als zulässig bestätigt worden.
Andererseits gibt es ein erhebliches öffentliches und gesellschaftliches Interesse daran, dass Rechtsverletzungen auch und gerade in Unternehmen öffentlich gemacht, geahndet und verfolgt werden.
Dies geschieht gerade nicht, wenn der Arbeitnehmer immer mit einer Kündigung oder sonstigen Repressalien rechnen muss.
Die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom 23.10.2019
Die sogenannte Whistleblower- Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen das Unionsrecht in bestimmten Bereichen melden – etwa, wenn es um öffentliche Aufträge, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmittel, öffentliche Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz geht.
Diese Richtlinie müsste eigentlich von der Bundesregierung im Rahmen ihrer Verpflichtungen aus den EU-Verträgen bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt werden.
Bereits 2014 hatte darüber hinaus das Ministerkomitee des Europarates Grundsätze für nationale Regelungen zum Hinweisgeberschutz aufgestellt. Auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, dass in Deutschland 2014 ratifiziert wurde, fordert die Mitgliedstaaten auf entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Der internationale Druck ist entsprechend hoch. Whistleblower effektiv zu schützen, sollte zum Standard gehören!
Wo liegt das Problem für die Uneinigkeit zwischen CDU/CSU und SPD?
Zwischen diesen Parteien ist vor allen Dingen umstritten, ob Whistleblower nur geschützt werden, wenn es um Verstöße gegen EU-Recht geht oder auch bei Verstößen gegen deutsches Recht.
Die SPD möchte sowohl Verstöße gegen europäisches als auch gegen deutsches Recht offenlegen. „Denn sonst wäre geschützt, wer einen Verstoß gegen europäische Datenschutzvorschriften meldet, aber nicht geschützt wer auf Schmiergeldzahlungen, Steuerhinterziehung oder Verstöße gegen deutsche Umwelt- oder Arbeitsschutzbestimmungen hinweist.“
Die CDU/CSU möchte aber den Hinweisschutz nur für Verstöße gegen EU-Recht gewähren, denn ansonsten würden die Vorgaben der EU-Richtlinie überschießend umgesetzt werden.
Gerade in der aktuellen Pandemie- Situation kämpfen viele Unternehmen um ihre Existenz und dürften durch weitere Bürokratie und Regulierung keine zusätzlichen Steine in den Weg gelegt bekommen.
Ob es noch in dieser Legislaturperiode zu einer gesetzlichen Regelung kommen wird, ist fraglich, obwohl es dann logischerweise zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland kommen würde.
Whistleblower könnten sich auch direkt auf die EU-Richtlinie berufen
Sollte die Umsetzungsfrist ablaufen, ohne dass ein entsprechendes Gesetz vorliegt, könnten sich Beschäftigte aber auch direkt auf die EU-Richtlinie berufen.
Wenn es etwa um eine Kündigung nach einem Hinweis geht, könnten sich Beschäftigte auf die EU-Richtlinie als Schutzgesetz berufen – und die Kündigung wäre unter Umständen rechtswidrig.
Zuletzt sorgte etwa der Fall einer Arbeitnehmerin für Aufsehen, die ein Video aus der Kantine des Schlachtbetriebs Tönnies zeigt, bei dem Menschen dicht an dicht beim Mittagessen saßen – mitten in der Coronapandemie.
Die Frau wehrte sich gegen ihre fristlose Kündigung vor dem Amtsgericht Bielefeld, wo es schließlich zu einem Vergleich kam. Künftig könnten die Gerichte womöglich eher zugunsten der Hinweisgeber entscheiden – zumal sie das deutsche Recht so auslegen müssen, dass EU-Recht möglichst effektiv umgesetzt wird.
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