Bewerbungskosten, wer muss die eigentlich von Gesetzes wegen tragen?
Immer wieder sieht man in Stellenausschreibungen oder im Rahmen der Vorbereitungen für ein Vorstellungsgespräch, dass das ausschreibende Unternehmen darauf hinweist, dass es leider die Kosten für das Vorstellungsgespräch nicht übernehmen kann. Das wirft die Frage auf: Wie gehe ich als Bewerber mit dieser Situation um? Es gibt wohl kaum eine Rechtsfrage, bei der die deutschen Gerichte so einig sind, wie bei dieser Frage.
Nach § 670 BGB muss das einladende Unternehmen die Kosten tragen!
Warum?
Nun, in § 670 BGB steht natürlich nichts von Vorstellungskosten aber § 670 BGB lautet:
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
Dies bedeutet, dass falls jemand etwas für einen anderen tut, ohne konkreten Auftrag, dass dieser Ihm dann die dafür getätigten Aufwendungen ersetzen muss. Einzige Voraussetzung ist, dass das Geschäft ausschließlich oder zumindest überwiegend im Interesse des anderen (des Geschäftsherrn) getätigt wird und der Ausführende nicht im eigenen Interesse gehandelt hat.
Typisches Beispiel für §670 BGB: Ihr Nachbar fährt in die Karibik zum Tauchen und ist auch telefonisch nicht erreichbar. Dann passiert in seiner Wohnung ein Rohrbruch. Als verantwortungsvoller Nachbar kümmern Sie sich und beauftragen einen Klempner und haben auch noch weitere Aufwendungen. Da Sie Vertragspartner des Klempners sind müssen Sie diesen auch bezahlen. Aber keine Sorge nach § 670 BGB brauchen Sie nur zu warten bis Ihre Nachbar wohlbehalten aus dem Urlaub zurück ist und dann muss er Ihnen alle Kosten ersetzten. Ob er will oder nicht. Diese Aufwendungen haben sie nur in seinem und nicht in Ihrem eigenen Interesse gemacht.
Nun zurück zum Thema. Genauso beurteilen die Gerichte die Interessenlage bei einem Vorstellungsgespräch. Die Gerichte sind der Auffassung, dass es im ausschließlichen oder zumindest im überwiegenden Interesse des einladenden Unternehmens ist, seine Unternehmensprozesse mit qualifizierten Mitarbeitern zu verbessern und damit letztendlich seinen Profit zu erhöhen. Achtung: Wenn ich vor Antritt der Fahrt zum Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen werde, dass die Kosten nicht übernommen werden, und ich fahre als Bewerber trotzdem zum Vorstellungsgespräch, dann ist das ein rechtsgültiger Verzicht auf meinen Anspruch aus § 670BGB.
PRAXISTIPP:
- Die Frage der Kosten sollte der Bewerber niemals von sich aus bei den Vorbereitungen zum Vorstellungsgespräch stellen, sondern einfach die Kosten auslegen und zum Vorstellungsgespräch fahren.
- Erst wenn die endgültige Absage kommt, macht man diese Kosten dann geltend.
- Ansprüche aus § 670 BGB verjähren erst in 3 Jahren. Also, Zeit genug!
Persönliches Statement: Ich kann nicht verstehen, dass Unternehmen mit großer Personalfluktuation oder der Besetzung einfacher Minijobs, die Bewerber mit diesen Kosten für ein Vorstellungsgespräch belasten. Für Unternehmen sind diese Kosten ein marginaler Aufwand. Jedoch sind diese Kosten für den einzelnen Bewerber, der sich in einer wirtschaftlichen Alarmsituation befindet, da er eventuell einen neuen Job braucht oder sich weiterentwickeln möchte, eine hohe Belastung. Er hat womöglich mehrere Vorstellungsgespräche zu absolvieren und da stellen diese Kosten immer einen wesentlich höheren Anteil seines zur Verfügung stehenden Einkommens dar, als für das einladende Unternehmen.
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